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Dezember 2020

Der Pandemie den Schrecken nehmen

Von Tamara Brück

Während die Hälfte des Kurses Klausur geschrieben hat, haben sich die verbleibenden Schüler und Schülerinnen des Latein Grundkurses der Q1 auf ganz andere Weise mit Senecas Affektenlehre auseinandergesetzt. Sie sollten diese auf die heutige Situation anwenden und den Menschen des Jahres 2020 einen Ratschlag zum Umgang mit der Pandemie a la Seneca geben. Die folgenden beiden Briefe stehen stellvertretend für die guten Ideen, die die Schülerinnen und Schüler sprachlich kreativ umgesetzt haben. Vielleicht ist es in der Tat nicht verkehrt, sich den Rat eines antiken Autors mal wieder vor Augen zu führen..

 

Brief aus Senecas Sicht an die Menschen aus dem Jahr 2020

Mein Lieber [Lucilius],

du schreibst, du fürchtest die zukünftigen Pläne; du fürchtest anstehende Einsamkeit, du fürchtest die Corona-Pandemie. Du schreibst, dass du vor der Macht der Regierung schauderst; du fragst mich um Rat.
Du erwartest, dass ich dich bestärke, die Umstände zu ignorieren, dein normales Leben fortzusetzen, Vorschriften zu missachten. Doch ist es das, was die Gesellschaft benötigt? Sollte der Schicksalsschlag derartig behandelt werden? Solltest du dich von deiner Furcht vor eventuell anstehendem Übel leiten lassen und die gegenwärtige Zeit durch Angst vor der Zukunft verschwenden, obwohl du die Zukunft nicht ändern kannst? Die Zukunft wir durch die göttliche Macht bestimmt, du hast keinen Einfluss auf folgende Ereignisse. Also stelle dich deiner Furcht; akzeptiere; handle.

Du fürchtest anstehende Einsamkeit; steuern kannst du die Entwicklung nicht, aber du kannst dein Handeln anpassen. Verwende andere Möglichkeiten in Kontakt zu stehen, telefoniere, schreibe. Zeige Einsicht; alle sind gefordert um Erfolge zu erzielen, handle gerecht. Bedenke deine Mitmenschen, hab ihr Wohl stets im Blick. Du sollst nicht die Zukunft ausblenden, du sollst dich ihr stellen, du sollst sie beurteilen, du sollst entsprechend handeln. Das hat schwindende Furcht vor deiner Zukunft zur Folge. Das Schicksal ist nicht zu verändern, aber deine Vorbereitung ist von großer Bedeutung.
Du willst weder eingeschränkt leben, noch eine anhaltend angespannte Situation. Bedenkst du, dass alle Menschen angehalten sind, ihren Alltag umzustrukturieren? Dass dies ein Problem Aller ist? Dass Alle ein eingeschränktes Leben führen müssen?

Du sollst deine Gefühle und Triebe nicht verdrängen, im Gegenteil, wenn du sie verdrängst, wirst du von einem Schwall an Gefühlen und deiner plötzlich eintretenden Zukunft überrascht. Es wird sein, als stündest du vor einem Abgrund, den du nicht überwinden kannst, wodurch du stehen bleibst und deine Probleme nicht bewältigen kannst. Es wird noch lange Folgen mit sich ziehen, die durch misslingende Versuche, dem Abgrund zu entkommen, geprägt sein werden. Wenn du dich aber bereits mit deinen Ängsten und Problemen auseinandergesetzt hast, wirst du den Abgrund überqueren können und feststellen, dass deine vorherigen Ängste sich nicht vollständig bewahrheitet haben.

Wenn du dir deine Ängste vor Augen führst, wirst du feststellen, dass du ein glücklicheres Leben führen kannst. Es wird dir leichter fallen, Probleme zu überwinden, wenn du dich nicht auf Übel und Triebe fokussierst, sondern sie in Folge von Abwägungen ausschließt. Du wirst Einsicht, Stärke und Gerechtigkeit zeigen und dein Denken wird sich im Hier und Jetzt befinden.

Lebe wohl

Eine Schülerin des Q1 Latein GK 2020/21

 

 

 

Philosophischer Brief Senecas zur Corona- Pandemie

Lieber Freund aus dem Jahr 2020,

Du schreibst, dass dich die aktuelle Corona- Pandemie sehr belastet.

Während des ersten Lockdowns hast du sehr unter Einsamkeit gelitten, hattest keine Motivation mehr, deine alltäglichen Aufgaben zu erledigen und konntest dich an nichts mehr erfreuen. Du hast alleine Zuhause gesessen und jegliche sozialen Kontakte vermieden. Das, was die Regierung und viele weitere immer gepredigt und für Richtig befunden haben. Aber es fühlte sich alles andere als richtig an, ganz im Gegenteil. Es fühlte sich falsch an, deprimierend und erdrückend.

Während des Sommers hast du allmählich wieder Freude daran gefunden, dich zu beschäftigen und nicht den ganzen Tag einsam und alleine zuhause zu verbringen. Du schreibst, dass du ein neues Hobby gefunden hast, welches dir Spaß macht, dich abschalten und vergessen lässt und dich voll und ganz erfüllt. Wenn du zum Training ins Fitnessstudio gehst, fühlst du dich frei und ausgelastet.

Und nun verhängt die Regierung den zweiten Lockdown. Du schreibst, dass du Angst hast. Angst dich wieder wie eine Maus in der Falle zu fühlen. Eingeengt, vergessen, hilflos und zugleich wütend und hasserfüllt. Du schreibst, dass du dich nicht mehr ausgelastet fühlst, den Sport vermisst und nicht weißt, wie du deine überschüssige Energie loswerden sollst.

Aber hilft nur der Sport im Fitnessstudio, um abzuschalten? Kannst du dich nicht anders auspowern und zur Ruhe kommen? Warum investierst du deine überschüssige Energie nicht in deine alltäglichen Aufgaben und versuchst diese umzusetzen? Du kannst es auch mal mit Ausdauersport in der friedlichen Natur probieren. Vielleicht wird ein morgendlicher Lauf, bei kühler, sauberer Winterluft zu einem festen Ritual in deinem Tagesablauf.

Es muss nicht immer alles glatt laufen und du musst nicht immer glücklich sein. Es ist okay, wenn du mal den Kopf hängen lässt, wütend bist oder dich hilflos und vergessen fühlst. Aber du darfst nicht vergessen, dass auf einen schlechten Tag auch wieder ein guter Tag folgen wird, und dass ein negatives Ereignis nicht einen ganzen Tag, eine Woche oder einen Lebensabschnitt zerstören kann. Es sind die kleinen Dinge im Leben, die einem zu einem glücklichen Leben verleiten und einen Tag zu einem guten Tag machen können. Glückliche Tage, an welchen du eine innerliche Ausgeglichenheit verspürst, dein Ziel vor Augen hast und mit Leidenschaft und unerschütterlicher Seelenruhe in den Tag hineinlebst, lassen sich nicht einfach zerschlagen.

Überwinde negative Affekte wie Frust, Trauer und Schmerz und lass deinen Alltag nicht von ihnen bestimmen. Denke vernünftig über dein Leben nach und du wirst feststellen, dass du glücklicher bist, als es auf den ersten Blick scheint. Setze dir Ziele und kämpfe darum, diese zu erreichen, auch wenn es schwierig wird. Kleine Schritte führen auch zum Ziel. Denke immer daran, dass es Hoch- und Tiefpunkte im Leben gibt und vergleiche dich nicht mit anderen, welche ein perfektes Leben zu leben scheinen. Denk nicht immer wie die Maus in der Falle, sondern wie ein Vogel in der Luft, welcher grenzenlose Freiheit erlebt und unendlich viele Möglichkeiten hat.

Lebe wohl!

Eine Schülerin des Q1 Latein GK 2020/21